Hintergrund

Für eine »Initiative solidarische Gesellschaft«

von Mario Candeias


Der Staat rettet den Kapitalismus. Nach 35 Jahren neoliberaler Liberalisierung und Globalisierung, nach einer nicht endenden Umverteilung von »unten« nach »oben« findet ein Politikwechsel statt: Nationale Rettungspläne und unbegrenzter Liquidität von Zentralbanken in Billionenhöhe, um Bankensystem und Märkte vor dem Zusammenbruch zu bewahren und die Kapitalvernichtung in Grenzen zu halten. Das verselbständigte »Reichland«, global mobil, abgesondert in mit modernsten Sicherheitstechnologien ausgestatteten Villen und Geschäftstürmen, unglaubliche Reichtümer akkumulierend, einflussreich und elitär nach eigenen Gesetzen waltend, fleht nun nach staatlicher Unterstützung – ohne nur einen Funken Macht, Einfluss oder Reichtum aufzugeben zu wollen.

Zugleich häufen sich seit Jahren die Meldungen über gesellschaftliche Krisen: Die Ungleichheit in den Ländern der OECD, nicht zuletzt in der Bundesrepublik, wächst mit zunehmender Geschwindigkeit. Seit Jahren wird die steigende Armut, insbesondere von Kindern, beklagt. Der Niedriglohnsektor weitet sich aus und prekäre Beschäftigung wird zum Normalarbeitsverhältnis. Die Bildungsmisere wird selbst von Konservativen als Folge von Klassenselektion begründet. »Unten« wächst die Zahl der Marginalisierten, die auf eine Integration in den Arbeitsmarkt – zu vernünftigen Bedingungen – oder auf eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht mehr zu hoffen wagen. Hartz IV ist zu einem Synonym für Armut und Gängelung geworden. Studien belegen: wer in Deutschland arm wird, bleibt arm – die Aufwärtsmobilität, wie es im Soziologendeutsch heißt, ist hierzulande ausgeprägt gering, während die so genannten Mittelschichten ausdünnen. Besonders krass marginalisiert werden jene Jugendlichen aus armen Familien mit Migrationshintergrund, die schon im Bildungssystem mit häufigen Versagenserfahrungen und Diskriminierungen konfrontiert sind, die zu einer Verfestigung von Armutskarrieren führen. Die Polarisierung und Prekarisierung von Arbeits- und Lebensbedingungen bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt. International muss die UNO konstatieren, dass die Milleniumsziele zur Bekämpfung von Hunger, Armut, Krankheit, Bildungsarmut usw. bis 2015 nicht mehr erreicht werden können. In Folge von Spekulationsblasen auf den Getreidemärkten und der Ausweitung des Anbaus von Biokraftstoffen statt Nahrungsmitteln kommt es vielmehr zu Hungerkrisen und -aufständen. Ebenso werden die gesetzten Klimaschutzvereinbarungen verfehlt, auch die selbst erklärte ökologische Vorreiterin, die deutsche Kanzlerin, muss eingestehen, die eigenen Zielsetzungen kaum noch erreichen zu können. Die Aufzählung könnte fortgeführt werden. Während der Kapitalismus gerettet wird, werden die Grundlagen gesellschaftlicher Reproduktion zersetzt.


Benommene Linke
Doch es gibt keinen Aufschrei. Wie benommen, im besten Fall amüsiert über die Rechtfertigungsschwierigkeiten der Bankmanager, Zentralbanker und Finanzbürokraten, schaut die Bevölkerung zu, murrt über die Rettungspakete, aber zeigt sich einsichtig in ihre – tatsächlich unabweisbare – Notwendigkeit. Auch die internationale Linke wurde auf dem falschen Fuß erwischt, auch Die Linke. Hektisch rufen wir: »Haben wir doch schon immer gesagt«. Wir kritisieren das Krisenmanagement und weisen auf unsere alten Forderungen nach Re-Regulierung hin. Noch vor kurzem diskutierte Die Linke heftig, ob ein 20-Milliarden-Investitionsprogramm sinnvoll ist oder doch die Haushaltsdisziplin wichtiger. Nun sind die Neoliberalen, die heute keine mehr sein wollen, vorbeigeprescht, haben quasi links überholt. Rhetorisch wie praktisch kann die Linke gar nicht so schnell etwas entgegensetzen, wie von den Regierenden altes über den Haufen geworfen wird: restriktive Geld- und Hochzinspolitik – passé, Stabilitätspakt und Maastrichtkriterien – nicht so wichtig, Verstaatlichung von Risiken und Banken – warum nicht?, Bürgschaften höher als die Staatshaushalte – machen wir, Konjunkturprogramme – wie viel darf’s sein?, ein neues Bretton-Woods – mindestens, europäische Wirtschaftsregierung – wird Zeit, Verstaatlichung von Schlüsselindustrien – war das nicht irgendwie sozialistisch? Dieser Staatsinterventionismus funktioniert zwar nicht mehr im Sinne neoliberaler Dynamisierung der Märkte, aber doch in guter alter Manier eines »ideellen Gesamtkapitalisten« oder liberalen Keynesianismus, der Marktversagen kompensiert und die Umverteilung und Aneignung von Mehrwert für die Vermögenden weiter befördert, zugleich aber in die Investitions- und Akkumulationsstrategien des Kapitals direkt eingreift, insbesondere über die Kapitalbeteiligungen an Banken. „We are all Keynesians again“, schreibt der Economist (07.08.08). Der Staat ist wieder chic. Schuld sind übrigens die bösen Spekulanten, arrogante Banker oder einfach »die Gier«. So lenken Staat und Regierungen von ihrer eigenen Verantwortung für die letzten Jahrzehnte neoliberaler Liberalisierung ab. Schließlich war die Politik alles andere als untätig, hat etwa Hedgefonds zugelassen oder die Rentenversicherung für die Kapitalmärkte geöffnet. Doch auf diese Weise profilieren sich nun insbesondere die sozialdemokratischen Neoliberalen von gestern als die größten Kapitalismuskritiker: Münte hat schon immer die »Heuschrecken« angeprangert – auch wenn die längst nicht mehr fliegen, und Gordon Brown stilisiert sich als regulierender Retter der Weltfinanz gegen die City of London – obwohl er selbst zehn Jahre lang schärfere Kontrollen verhinderte. Nun entdecken sie ihre linke Seite, Keynes wird entstaubt und sogar der alte Marx soll doch – ein bisschen – Recht gehabt haben mit seiner Kritik: ein entfesselter Kapitalismus zerstört sich selbst, glaubt Steinbrück. Oh, das wollen wir doch nicht. Norbert Walter, Chefvolkswirt der deutschen Bank, ist schon genervt von den vielen Keynes- und Marx-Zitaten und verweist seinerseits auf Adam Smith und seine »Theory of Moral Sentiments« – also doch eine Frage der Moral, des Versagens einzelner – die Märkte aber, die sind intakt, sie funktionieren, wenn man ihnen ein vernünftiges Korsett verpasst, meint die FDP schon immer gemeint zu haben. Sie wissen schon warum. Erinnern wir Steinbrück an den Sinn der marxschen Kritik – die Überwindung der »alten Scheiße« (MEW 3: 34-35) wie der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt.


Radikale Realpolitik
Die Finanzkrise ist nicht nur eine Vertrauenskrise im Bankensektor: das Vertrauen der Bevölkerung in Märkte und Regierungen ist zumindest deutlich angekratzt, der Neoliberalismus diskreditiert. Dies eröffnet diskursiven Raum für linke Alternativen im Sinne radikaler Realpolitik, die bisher kaum genutzt werden konnten. Es bedarf einer Initiative für eine solidarische Gesellschaft, die über bisherige Vorschläge der Linken hinaus geht: es müssen ja nicht gleich 500 Milliarden sein, wie beim Rettungsplan der Regierung. Aber es müsste doch um die Frage gehen, wer in dieser Gesellschaft eigentlich über die gesellschaftlich notwendigen Investitionen entscheidet. Debatten über 30 Euro mehr bei Hartz IV oder 10 Euro mehr Kindergeld sind lächerlich angesichts der Mittel gegen die Finanzkrise. Warum überlassen wir den Finanzmärkten die – vermeintlich effiziente – Allokation der Ressourcen? Die Überakkumulation von Kapital produziert nur Wellen spekulativer Blasen, gefolgt von Kapital- und Arbeitsplatzvernichtung, während immer größere Bereiche gesellschaftlicher Reproduktion liegen bleiben oder kaputt gespart werden, z.B. Erziehung und Ausbildung, Umwelt, Hungerbekämpfung, Infrastrukturen und öffentliche Dienstleistungen. Mittlerweile beklagt sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Gefährdung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch mangelnde Investitionen in Kraftwerke, Strom- oder Straßennetze und fordert mehr staatliche Investitionen in die Infrastruktur. Es bedarf der Sozialisierung der Investition, der Verstaatlichung und demokratischen Kontrolle von Banken und Finanzinstitutionen. Benötigt wird ein Rettungspaket, ein zukunftsorientiertes Investitionsprogramm für einen partizipativen Um- und Ausbau des Öffentlichen, von öffentlichen Unternehmen und öffentlicher Beschäftigung hin zu einer sozial-ökologischen Care-Economy; ein Rettungspaket für erneuerte solidarische Sozialversicherung für alle statt privater Eigenvorsorge; ein Rettungspaket für eine Demokratisierung von Gesellschaft und Wirtschaft, für eine echte Partizipation von Bevölkerung und Beschäftigen an Entscheidungen in Politik und Betrieben; ein Rettungspaket gegen globale und gesellschaftliche Ungleichheiten für eine solidarische Weltwirtschaftsordnung und ein soziales
Europa. Mindestens!




Der Bürger bürgt

Die Finanzmarktkrise ist kein Betriebs­unfall des Kapitalismus, sondern gehört notwendiger weise dazu. Wen retten die »Rettungspakete« eigentlich vor was?  Michael Heinrich, Jungle World Nr. 43

 

Nach einem weithin geteilten Verständnis verdankt sich die Finanzmarktkrise einerseits der »Gier« der Banker und Spekulanten, die immer größere Renditen und Einkommen erzielen wollten und sich dabei auf immer riskantere Geschäfte einließen, und andererseits einem erheblichen Mangel an staatlicher Regulierung der Finanzmärkte, wodurch jenes »unverantwortliche« Handeln erst in seinem ganzen Umfang möglich wurde. Entsprechend dieser Sichtweise muss nun zunächst das Finanzsystem gerettet werden, egal wie viele Steuermilliarden dies kosten mag. Danach soll durch neue Regeln sichergestellt werden, dass »so etwas« nie wieder passieren kann. In dieser Beschreibung der Krise trifft sich, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, ein ziemlich breites politisches Spektrum, das von Angela Merkel bis zu Oskar Lafontaine und großen Teilen von Attac reicht.

Einig ist man sich darin, dass eine »Fehlentwicklung« stattgefunden habe, der es künftig vorzubeugen gelte. Auch von manchen linken Ökonomen ist zu hören, dass der Finanzsektor aus dem Ruder gelaufen sei: Statt seine »eigent­liche« gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen, nämlich Kapital von Anlegern zu Unternehmen zu bringen, sei es nur noch um Spekulation und die Erzielung phantastischer Gewinne gegangen. Bei derartigen Anklagen sollte man jedoch in Erinnerung rufen, dass es im Kapitalismus für alle Unternehmen darum geht, ihren Gewinn zu maximieren. Auch ein Autohersteller will nicht selbstlos zur Verbesserung der Mobilität beitragen, sondern mit den produzierten Autos Gewinn einfahren. Und wenn es die größten Dreckschleudern sind, die den meisten Gewinn abwerfen, dann werden genau sie produziert. Genauso sind für die Banken Finanzgeschäfte lediglich die Mittel, um einen möglichst hohen Gewinn zu machen.


Banken und Finanzmärkte sind keine Störung oder gar Parasiten eines »normalen« Kapitalismus. Ganz im Gegenteil: Kapitalverwertung ist ohne Kredit überhaupt nicht möglich. Dass dies sowohl für den Kreislauf des Einzelkapitals wie für die Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals gilt, ist eines der großen Themen im viel zu wenig gelesenen zweiten und dritten Band des Marxschen »Kapitals«. Auf dem Finanzmarkt werden dann Aktien und Kredite (sowie davon abgeleitete Ansprüche, die verschiedenen »Derivate«) zu handelbaren Anlageformen von Kapital. »Finanzmarktspekulation« steht nicht im Widerspruch zu kapitalistischer Produktion (die ebenfalls stets ein spekulatives Element enthält), sondern ist ihr notwendiges Pendant. Und genau wie die kapitalistische Produktion zu Überproduk­tionskrisen tendiert, bringt der Finanzsektor immer wieder Überspekulationen mit einem anschließenden Crash hervor.

Dass die Finanzmarktkrise kein Betriebsunfall ist, sondern notwendigerweise zum Kapitalismus gehört, besagt nun aber nicht, dass Regulierungen des Finanzmarkts irrelevant wären. Während die Priester des Neoliberalismus die wundersame Kraft der Märkte gepredigt haben und mit diesen Beschwörungen bis weit in die Sozialdemokratie hinein erfolgreich Gläubige rekrutierten, erwies sich der Markt als eine außerordentlich bornierte und destruktive Instanz.

Die Finanzmärkte sind die freiesten und flexibelsten Märkte, die es gibt. Sie kommen dem neo­liberalen Marktideal am nächsten – und gerade sie haben den größten Crash seit langem produziert. Der kapitalistische Markt braucht den Staat als Regulator, damit er nicht seine eigenen Fundamente völlig zerstört. Staatliche Regulation ist daher auch nicht das Anfang vom Ende des Kapitalismus, sondern eine seiner Existenzbedingungen. Allerdings sind die Art und das Ausmaß der Regulation keineswegs von vornherein klar. Hier existieren verschiedene Kapitalismusmodelle und unterschiedliche Kapitalfraktionen, und politische Lager bevorzugen durchaus unterschiedliche Varianten.


Die »Rettungspakete«, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA und einer Reihe von europäischen Ländern beschlossen wurden, zeigen, dass die großen Staaten keineswegs ohnmächtige Akteure sind, denen nur noch die Möglichkeit bleibt, sich an die Zwänge »der Globalisierung« anzupassen. Dies wurde in den letzten Jahren nicht nur von Konservativen, sondern auch von der Sozialdemokratie bis hin zu den »Empire«-Theoretikern Michael Hardt und An­tonio Negri immer wieder behauptet. Plötzlich wird der Staat sowohl in den USA als auch in Europa zum rettenden Netz der abstürzenden Markt­akteure.

Erstaunlich sind auch die Summen, die in Rekordzeit bewegt werden können. Der gesamte Bundeshaushalt 2008 sah bislang Ausgaben von 283 Milliarden Euro vor. Auch nur eine oder zwei zusätzliche Milliarden, etwa für die von Hartz IV abhängigen Kinder, die de facto unter der Armutsgrenze leben, galt als unter keinen Umständen finanzierbar, würde es doch das hehre Ziel in Frage stellen, schnellstmöglich einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Jetzt werden über Nacht 480 Milliarden Euro, also weit mehr als das Anderthalbfache des gesamten Haushalts, bereit gestellt, um den Bankensektor zu retten. Dass es sich bei dieser Summe um 80 Milliarden Eigenkapitalhilfe, für die der Staat Eigentumsrechte bekommt, und um Bürgschaften in Höhe von 400 Milliarden handelt, von denen »vielleicht nicht ein Euro gezahlt werden muss«, wie mehrfach betont wurde, ist kein Gegenargument. Was die Eigentumsrechte, die der Staat jetzt erwirbt, in ein paar Jahren noch wert sein werden, kann heute niemand voraussagen; wäre es anders, müsste der Staat nicht einspringen. Und für Bürgschaften, egal ob es sich um staatliche oder private handelt, gilt: Wer eine eingeht, sollte auch einkalkulieren, dass sie fällig wird, alles andere wäre nur blauäugig.

Aber selbst wenn am Ende nicht die gesamten 480 Milliarden fällig werden, sondern nur 100 oder 200 Milliarden, der Betrag bleibt enorm. Und dieser Betrag muss am Ende von den Steuerzahlern aufgebracht werden. In den vergangenen 25 Jahren wurde das Steuersystem konsequent umgebaut: Die Spitzensteuersätze und zuletzt in diesem Jahr die Unternehmenssteuern wurden drastisch gesenkt, die Vermögenssteuer wurde bereits in den neunziger Jahren abgeschafft, dagegen wurde die Mehrwertsteuer kräftig angehoben. Während Vermögenssteuer und Spitzensteuersätze nur für Menschen mit Vermögen und einem Spitzeneinkommen anfallen, sind die Mehrwertsteuersätze für alle gleich, unabhängig vom jeweiligen Einkommen. Sowohl während der schwarz-gelben Kohl-Regierung als auch während der rot-grünen Schröder-Regierung hat die Steuer- und Sozialpolitik als gigantische Umverteilungsmaschine von unten nach oben funktioniert: Während die sozialpolitischen Leistungen auf breiter Linie gekürzt wurden, wurde die steuerliche Belastung von Vermögen, Unternehmen und Spitzenverdienern enorm gesenkt.

Auch die meisten Vorschläge, die jetzt als Reaktion auf die befürchtete wirtschaftliche Rezession zirkulieren, gehen in diese Richtung: bloß kein Kon­junkturprogramm, aber Steuererleichterungen (wie etwa die steuerliche Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen), »damit die Menschen mehr Geld in der Hand haben«. Diejenigen, die schon jetzt viel Geld in der Hand haben, werden damit noch mehr bekommen, jene, die wenig haben, wer­den von solchen Maßnahmen nur wenig profitieren, und den Ärmsten, wie den Hartz-IV-Empfängern nutzen solche Steuererleichterungen überhaupt nichts. Damit ist aber auch klar, wer die­se gigantische Rettungsaktion schließlich finan­ziert. Es ist die große Mehrheit der Gering- und Durchschnittsverdiener, auf die die Steuerlast zunehmend abgewälzt wird, sowie jene, die auf staat­liche Sozialleistungen angewiesen sind, denn diese Leistungen dürften in Zukunft noch schmaler ausfallen.


Im übelsten Sinne »populistisch« ist die bislang noch äußerst vage Regelung, dass die Gehälter von Managern, deren Banken Staatshilfen in Anspruch nehmen, beschränkt werden sollen (»im Normalfall« auf 500 000 Euro pro Jahr): Dem Ärger in der Bevölkerung darüber, dass die »Zocker« staatlich aufgefangen werden, soll vorgebeugt werden. Doch selbst wenn ein paar Manager im nächsten Jahr geringere Gehälter erhalten sollten, ändert dies nicht das Geringste an der gesellschaftlichen Lastenverteilung.

Lediglich scheinradikal ist auch die Forderung nach Verstaatlichung des Bankensektors. Die staatlichen Landesbanken haben sich genauso verspekuliert und die besonders riskanten Spekulationen in ausländischen Tochtergesellschaften versteckt wie die privaten Banken. Es geht nicht um die Frage, wer die Bank besitzt, sondern nach welchen Regeln die Bank funktioniert. Diese Regeln sind aber nicht allein die Sache der Bank, sondern der gesamten kapitalistischen Wirtschaft, innerhalb der die Banken fungieren. Hier lässt sich aber nicht ohne weiteres ein einzelnes, zentrales Teilstück herausbrechen und einfach umpolen. Da müsste man schon über die Veränderung des gesamten kapitalistischen Systems reden – nicht über Rettungspakete, sondern über grundsätzliche gesellschaftliche Alternativen.

Schreibe einen Kommentar